Berufen sein - aber wozu?

„Dazu muss man berufen sein“- manche sagen das, wenn es um meinen Beruf als Pastor geht. Ja, dem stimme ich zu. So einen Beruf muss man schon mit Herz und Seele ausüben. Ohne innere Überzeugung geht das nicht. Das gilt natürlich nicht nur für den Beruf einer Pastorin oder eines Pastors, sondern auch für andere Berufe in der Kirche. Auch die Diakonin dieser Kirchengemeinde und die Sekretärin, deren Jubiläum wir in diesem Monat feiern, sind mit Herz und Seele dabei, und man merkt es ihnen an. Abgesehen von der positiven Ausstrahlung:

Wer seine Sache mit Freude und Hingabe tut, dem gelingt sie besser und der wird auch mit Zeiten besonderer Belastung besser fertig werden.


Für den Arztberuf gilt das gleichermaßen, und auch für Lehrerinnen und Lehrer und die Polizei und viele andere Berufe. Genau genommen möchte ich das auf alle Berufe ausweiten: Wie schön, wenn jemand einen Beruf hat, den er oder sie gerne und mit Engagement ausübt und es nicht einzig darum geht, Geld zu verdienen und pünktlich Feierabend zu machen.


Das Wort „Berufung“ hat mit Rufen zu tun. Man fühlt sich von einem höheren Auftraggeber, von einer höheren Macht berufen oder auch von einem Ideal, dem man sich verpflichtet hat. In der Bibel finden sich zahlreiche Berufungsgeschichten, u.a. auch die Berufung der 12 Jünger durch Jesus Christus. Menschen lassen sich von Gott rufen, stellen manche ihrer eigenen Bedürfnisse hintenan und folgen dem, der sie gerufen hat.

Die Ereignisse im Nahen Osten und die Versuche auch in unserem Land Menschen für den sogenannten „Heiligen Krieg“ anzuwerben, zeigen jedoch: Eine Berufung ist noch kein Wert an sich. Auch diejenigen, die im Norden Iraks, in Syrien und anderswo Terror verbreiten, fühlen sich berufen. Sie sind sogar bereit, ihr eigenes Leben einzusetzen, allerdings nicht, um Menschen zu retten, sondern um zu töten. Umso wichtiger ist es, genau hinzuschauen, wer da ruft und wozu aufgerufen wird. Manche kommen, um im Namen Gottes zu helfen. Andere kommen, um im Namen Gottes Angst und Schrecken zu verbreiten und zu töten.

Der manchmal zu hörende Ruf nach Abschaffung der Religion ist kein Heilmittel. Auch in der atheistischen DDR fühlten sich Menschen berufen, andere zu erschießen, die der dort herrschenden Ideologie nicht angehören wollten. Hilfreich ist einzig der wachsame Blick auf den, der da ruft, und wozu aufgerufen wird.

Ihr W. Dressel